Was in der Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft noch vorgeht

Antrag zur GV 2018 – Faust-Inszenierung

Insbesondere durch den Mitgliedertag zur Faustinszenierung am 3. November 2017 ist deutlich geworden, dass es erhebliche Unklarheiten und Unstimmigkeiten darüber gibt, wie am Goetheanum der Kunstimpuls Rudolf Steiners – hier in Bezug auf die Mysterienkünste Eurythmie, Sprachgestaltung und Schauspiel – verstanden und umgesetzt wird. So wurde durch den Mitgliedertag deutlich:

  • Trotz Ankündigung, den Entwicklungsprozess der Faustinszenierung seitens des Vorstandes und der Goetheanum-Leitung eng zu begleiten, war dies nicht erfolgt. Das konnte weder nachvollziehbar erklärt werden, noch wurde dafür die Verantwortung übernommen.
  • Im Rechenschaftsbericht des Vorstandes von September 2017 war erstmals eine mangelnde künstlerisch- spirituelle Durchdringung des Stoffes eingestanden worden (Bodo von Plato). Aus der Mitgliedschaft erreichten die ersten besorgten Rückmeldungen in Bezug auf den Stil der Inszenierung den Vorstand bereits 2 Jahre zuvor. Auf die Frage, warum der Vorstand zu dieser Erkenntnis erst jetzt gekommen sei, antwortete Paul Mackay: „Wir haben eben so lange gebraucht.“
  • Der Widerspruch, der sich aus der Äusserung Bodo von Platos ergab, es habe nie eine dezidierte Entscheidung gegeben, Rudolf Steiners Angaben nicht einzubeziehen und der offenkundigen Tatsache , dass der Sprachimpuls Rudolf Steiners sowie seine geisteswissenschaftlichen Erläuterungen und Inszenierungshinweise fast vollständig ignoriert worden waren, konnte nicht aufgeklärt werden.
  • Auch der Widerspruch, dass man Christian Peter mit der Regie beauftragt hatte aufgrund seiner über 40-jähriger Erfahrung mit Faust am Goetheanum, obwohl man wusste, dass er Rudolf Steiners Erläuterungen und Inszenierungshinweise zu Faust nicht einbeziehen, sondern sich davon befreien wollte, blieb bestehen.
  • Bereits vor dem Mitgliedertag wurde die Entscheidung getroffen, Andrea Pfaehler mit der Regie für die Weiterarbeit an der Faust-Inszenierung zu beauftragen. Sie verfügt über eine Ausbildung an der Zürcher Schauspielschule und ist – soweit erkennbar – mit dem anthroposophischen Kunstimpuls nicht vertraut. Sie verfügte weder über eine anthroposophische Sprach- und Schauspielausbildung, noch über langjährige Erfahrungen mit früheren Faustaufführungen. Auf Nachfrage an dem Mitgliedertag war sie nicht in der Lage, etwas zu ihrem Konzept zu sagen. Offensichtlich wurde wiederum ein Auftrag erteilt, ohne eine genügende Klärung der Intentionen in Bezug auf die Einbeziehung des Kunstimpulses Rudolf Steiners.

Weitere Informationen und Bewertungen zu der Problematik der Faustinszenierung sind zu finden in „Ein Nachrichtenblatt Nr. 25/2016 (Analyse der Faust-Inszenierung), Nr. 24/2017 („Der Kampf zwischen Kunst und Geschmack“) und Nr. 3/2018 (Ausführlicher Bericht vom Mitgliedertag), zu finden auch auf www.GV-2018.com.

Aus den Darstellungen des Vorstandes, der letztendlich für die Inszenierung die Verantwortung trägt, ist nicht erkennbar, wie nun die deutlich erkennbare Distanz zum anthroposophischen Kunstimpuls überwunden werden soll und eine geisteswissenschaftliche Durchdringung der Faust-Inszenierung entstehen kann.

Auch wenn seit Januar 2017 positive Entwicklungsansätze in Richtung einer Verlebendigung der Sprache und Rhythmen des Werkes erkennbar wurden, ändert dies nichts am Weiterwirken der Grundintention der ganzen Inszenierung. Es bleibt die Frage, wie eine dem Goetheanum gemässe Inszenierung des Faustdramas auch im Hinblick auf Regie, Bühnenbild, Kostüme sowie die wesensgemässe „künstlerische Darstellung des Bösen, der mythologischen, poetischen und geistesgeschichtlichen Figuren und Zusammenhänge in Faust II“ (aus dem Rechenschaftsbericht des Vorstandes in AWD 11/17) und anderes erreicht werden soll, auch in Anbetracht der knappen Finanzmittel.

Beschluss

Damit das Ergebnis der Bemühungen nicht erst bei einer Aufführung im Jahr 2020 erkennbar wird und eine angemessene Transparenz für die interessierte Mitgliedschaft entstehen kann, ersucht die Generalversammlung 2018 den Vorstand:

  1. Bis Ende September 2018 ein ausführliches schriftliches Konzept (Regie, Sprache, Bühnenbild, Farbgebung, Kostüme, Darstellung der mythologischen Gestalten und Szenen) für die weitere Inszenierung zu veröffentlichen und an einem Mitgliedertag an einem Samstag im Oktober 2018 mit ausreichend Zeit für Gespräche mit den für die Inszenierung verantwortlichen Künstlern und dem Vorstand zu ermöglichen. Eine direkte Einflussnahme auf die Künstler seitens der Mitgliedschaft wird hiermit ausdrücklich nicht intendiert.
  2. Damit sich der Vorstand und die interessierte Mitgliedschaft rechtzeitig ein Bild von der Entwicklung der Inszenierung machen können, sollen spätestens 6 Monate nach Probenbeginn erste Aufführungen mit Szenenbeispielen und Gesprächsmöglichkeiten angeboten werden im Sinne von Werkstattaufführungen oder öffentlichen Proben.
  3. In die Gestaltung und die Durchführung der unter 1. und 2. genannten Veranstaltungen sind die Antragsteller bzw. von den Antragstellern zu benennende Mitglieder in angemessener Weise aktiv einzubeziehen.

Dornach, 26. Januar 2018

Gudrun Altenbach, Péter Barna, Gabriela Cieslinski, Christian von Esebeck, Jan Fontein, Monika Gasser, Martina Geith, Thomas Heck, Monica Heredeu von Allmen, Andrea Hitsch, Andrea Jeserich, Sivan Karnieli, Brigitte Kovarik, Eva Lohmann-Heck, Martin Georg Martens, Ursula Ostermai, Marja Reinhard, Luise Rendtorff, Katja Cooper-Rettich, Ingrid Schleyer, Angelika Schuster, Leonhard Schuster, Luise von Schwerin, Gerti Staffend, Angelika Strnad, Roland Tüscher, Anna Wadström

Grundlegende Veröffentlichungen

Kurzbericht zum Mitgliedertag vom 3. November 2017 für die Faust-Inszenierung  von Eva Lohmann-Heck
(vorgesehen für „Anthroposophie weltweit“ 3/2018)

Zum Rechenschaftsbericht für die Faust-Inszenierung (Bericht zum Mitgliedertag vom 3. November 2017)
Ausführliche Version, von Eva Lohmann-Heck, ENB, Nr. 3/2018


Weitere Veröffentlichungen (chronologisch)

Zusammenfassung von Zuschriften und weiterführende Gedanken:
Zur Neuinszenierung von Goethes „Faust“ am Goetheanum von Eva Lohmann-Heck
ENB, Nr.  3/2017

Stimmungsbild und Rechenschaft von Eva Lohmann-Heck
ENB, Nr. 7/2017

Zum Faust-Fiasko von Christian von Esebeck
in ENB, Nr. 14/2017

0 Kommentare

Translate »